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Raus aus der NATO

Von Nick Brauns Aus: junge Welt vom 10. Februar 2009 Anlässlich des bevorstehenden Gipfels zum 60. Gründungstag der NATO regt sich auch in der Türkei Widerstand gegen die westliche Militärallianz. 24 linke Parteien, Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen haben sich zu einem Bündnis zusammengeschlossen. Während hierzulande von Friedensaktivisten nebulös die »Auflösung« der NATO gefordert wird, machen sich […]

Von Nick Brauns

Aus: junge Welt vom 10. Februar 2009

Anlässlich des bevorstehenden Gipfels zum 60. Gründungstag der NATO regt sich auch in der Türkei Widerstand gegen die westliche Militärallianz. 24 linke Parteien, Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen haben sich zu einem Bündnis zusammengeschlossen. Während hierzulande von Friedensaktivisten nebulös die »Auflösung« der NATO gefordert wird, machen sich die Aktivisten in der Türkei für den Austritt ihres Landes aus dem Kriegsbündnis stark. Zu den Unterstützern der Kampagne gehören die im Parlament in Ankara vertretene kurdische Partei für eine Demokratische Gesellschaft DTP, die Türkische Kommunistische Partei, die linken Parteien SDP, ÖDP und EMEP sowie die Grünen, die Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes KESK sowie die Menschenrechtsvereine IHD und Mazlum-Der.

Parallel zu den europaweiten Protesten gegen den NATO-Gipfel in Strasbourg, Kehl und Baden-Baden Anfang April wollen die türkisch-kurdischen Pazifisten und Kriegspaktgegner in Istanbul auf die Straße gehen. Neben dem NATO-Austritt fordern sie den Rückzug der türkischen Soldaten aus Afghanistan und die Schließung der NATO-Stützpunkte in Izmir, Konya, Sile, Balikesir und Marmaris.

Die Türkei hat seit ihrem NATO-Beitritt 1952 für das westliche Kriegsbündnis eine besondere strategische Bedeutung. Im Kalten Krieg wurde sie als Bollwerk gegen die Sowjetunion und die Unabhängigkeitsbestrebungen der arabischen Staaten in Stellung gebracht. Der Militärputsch vom 12. September 1980, der sich gegen die erstarkte Arbeiterbewegung und die kurdische Freiheitsbewegung richtete, fand unter dem Schutz von NATO-Manövern in der Türkei statt. Im Rahmen der Allianz wurde die Türkei vor allem mit Waffen aus Deutschland hochgerüstet, die im Krieg gegen die kurdische Unabhängigkeitsbewegung in den 90er Jahren zum Einsatz kamen.

Die Türkei dient der NATO heute als das neben Israel wichtigste Sprungbrett in den Nahen Osten. Hier befindet sich strategische Infrastruktur wie die Airbase Incirlik bei Adana sowie Spionageposten entlang der syrischen, irakischen und iranischen Grenze. Mit über einer halben Million Soldaten unterhält die Türkei die nach den USA zweitgrößte NATO-Armee. Türkische Truppen beteiligten sich 1999 am Krieg gegen Jugoslawien und sind heute in Afghanistan im Einsatz.

Am Hindukusch wächst die Ablehnung gegen die NATO und die US-Truppen mit jedem Kriegstag. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des »Afghan Institute for Social and Public Opinion Research« für die TV-Sender ARD, ABC und BBC hervor. Laut der am Montag veröffentlichten Erhebung hält die Mehrheit der Bevölkerung die vergangenen Jahre für »verlorene Jahre«. Mittlerweile fordert eine Mehrheit (51 Prozent) einen schnellen Abzug der Besatzungstruppen – im umkämpften Südwesten des Landes sind es sogar 71 Prozent. In manchen Regionen hält inzwischen mehr als die Hälfte der Bevölkerung Anschläge auf US- und NATO-Soldaten für gerechtfertigt, landesweit ist es immerhin jeder Vierte. »Der Westen hat den Kampf um die Herzen und Köpfe der Afghanen erst einmal verloren«, kommentierte Arnd Henze, stellvertretender WDR-Auslandschef, das Umfrageergebnis.

URL: http://www.jungewelt.de/2009/02-10/001.php

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