Aus: junge Welt vom 31. August 2012
Weltfriedenstag in Frankfurt am Main: Demonstration »Hände weg von Syrien« soll zum Fest der Toleranz und Völkerfreundschaft werden. Ein Gespräch mit Salim Tas und Sebastian Bahlo
Interview: Cathrin SchützSalim Tas ist Vorsitzender des Bundes der Alawitischen Jugend Deutschlands. Sebastian Bahlo ist Referent für Internationale Solidarität des Deutschen Freidenkerverbandes. Beide sind Sprecher des Solidaritätskomitees für Syrien in Frankfurt am Main (www.skfs.net)
Zum Weltfriedenstag am 1. September ruft das Solidaritätskomitee für Syrien in Frankfurt am Main zur bundesweiten Demonstration »Hände weg von Syrien« auf. Von wem wird das Bündnis getragen?
Sebastian Bahlo: In Deutschland lebende Syrer und Türken haben in den vergangenen Monaten in einigen Städten, darunter Frankfurt am Main, zu Tausenden gegen die herrschende Kriegspropaganda protestiert. Das Komitee bildete sich, weil lokale Aktivisten der deutschen Friedensbewegung die Notwendigkeit sehen, sich dem anzuschließen. Schließlich ist die Bundesregierung bereits aktive Kriegspartei. Deutsche Spionageschiffe operieren vor der syrischen Küste und liefern über Umwege Informationen an die bewaffneten Rebellen. Parallel wird über das Bundesaußenministerium ein Machtwechsel in Syrien vorbereitet. Das Gründungstreffen des Komitees fand Anfang August mit rund 60 Teilnehmern statt, in einer bemerkenswert konstruktiven Atmosphäre. Gastgeber war das Alawitische Kulturzentrum in Frankfurt-Höchst. Dort wurde beschlossen, am 1. September eine Demonstration unter dem Motto »Stoppt den Krieg – Hände weg von Syrien!« in Frankfurt durchzuführen.Salim Tas: Es ist beeindruckend, wie breit das Spektrum der zu erwartenden Demonstrationsteilnehmer ist. Es werden unter anderem Deutsche, Syrer, Türken, Iraner, Russen, Serben und Griechen kommen; Christen verschiedener Glaubensrichtungen, Muslime, darunter, Sunniten, Schiiten und Alawiten, Freidenker, Kommunisten und Sozialisten, Konservative. Die Rednerliste bietet einen Ausschnitt aus dieser Vielfalt. Maher Ahmad wird als Mitglied der Deutsch-Syrischen Gesellschaft sprechen, Enver Enli als Mitglied der linken türkischen Vereinigung DIDF, Betros Gharib als Angehöriger der christlichen aramäischen Volksgruppe in Syrien, Klaus Hartmann als Vorsitzender des Deutschen Freidenkerverbandes. Ihsan Cibelik, Mitglied der bekannten linken türkischen Band »Grup Yorum«, wird sprechen und abwechselnd mit dem in der Frankfurter Friedens- und Gewerkschaftsbewegung bekannten Sänger Ernst Schwarz Musik machen. Die Demonstration wird ein Fest der Toleranz und der Völkerfreundschaft sein.
Wie sehen Ihre Forderungen und Positionen aus?
Salim Tas: Wir fordern das Ende der aggressiven völkerrechtswidrigen Einmischung der NATO-Staaten sowie arabischer Monarchien in Syrien. Wir treten der von den meisten Medien verbreiteten Kriegspropaganda entgegen, die von einem »Volksaufstand« gegen den Präsidenten Baschar Al-Assad spricht. Wir wollen deutlich machen, daß das Wesen des Krieges derzeit in der Einschleusung ausländischer Terrorbanden nach Syrien besteht, mit dem Ziel, das Land zu destablisieren und religiöse Auseinandersetzungen zu schüren, da sich der Terror vornehmlich gegen Mitglieder der alawitischen und christlichen Minderheiten richtet.Sebastian Bahlo: Es handelt sich nicht um Krieg in Syrien, sondern um einen Krieg ausländischer Mächte, letztlich der NATO, gegen Syrien. Das ist eigentlich kein Geheimwissen, aber für die Friedensbewegung kommt es darauf an, die richtigen Konsequenzen aus dieser Einsicht zu ziehen. Wenn Imperialisten Krieg gegen ein Land führen, muß man für das völkerrechtlich verbriefte Recht des angegriffenen Landes eintreten, sich zu verteidigen. Forderungen wie »Keine Waffenlieferungen in die Region« negieren dieses Recht implizit aber unmißverständlich. Daher lehnen wir jegliche wohlfeile Distanzierung von der syrischen Regierung, die wir folgerichtig auch nicht als »Regime« beschimpfen, strikt ab, und prangern statt dessen die Untaten der Aggressoren an. Es liegt auf der Hand, daß ein Sturz des syrischen Präsidenten Baschar Al-Assad unter den gegebenen Umständen nichts anderes als den Sturz Syriens bedeuten würde. Deshalb sind seine Anhänger bei unserer Demonstration willkommen, ebenso wie Menschen, die ihn differenziert oder ablehnend betrachten, vorausgesetzt, sie erkennen den imperialistischen Charakter des Kriegs an.
Aber werden von Teilen der syrischen Opposition nicht legitime Ziele angestrebt?
Salim Tas: Ja, natürlich gibt es »anders denkende« Menschen, die legitime Forderungen haben. Wie in jedem anderen Land gibt es auch in Syrien Menschen, die sich aus verschiedensten Gründen benachteiligt fühlen. Die neue Verfassung, die vom syrischen Volk abgesegnet wurde, schafft nun eine Plattform, solchen Forderungen politischen Ausdruck zu verleihen. Man muß aber strikt zwischen Opposition und bewaffneten NATO-Söldnern unterscheiden. Letztere zerstören öffentliche Gebäude, foltern und ermorden Zivilisten und untergraben die Rechtsstaatlichkeit mit Waffen. Selbstverständlich ist die syrische Demokratie noch jung und weit davon entfernt, perfekt zu sein. Es gibt Probleme, die gelöst werden müssen. Aber wir lassen uns unseren Weg nicht von außen diktieren, weder von der NATO, noch von ihren multinationalen Söldnertruppen. Wir werden nicht zulassen, daß unser Land wie Libyen, Irak oder Afghanistan in Blut und Chaos versinkt.
Sebastian Bahlo: Was uns als Nichtsyrer betrifft: Wo es legitime Forderungen gibt, können wir den Syrern natürlich nur wünschen, daß diese eines Tages erfüllt werden. Aber: Nationale Souveränität ist die Vorbedingung jedes gesellschaftlichen Fortschritts. Sollen mordende ausländische Söldnerbanden, Terroristen, die frisch von ihren blutigen Taten in Libyen nach Syrien gereist sind, die legitimen Forderungen der Opposition erfüllen? Oder gar die Cruise Missiles der NATO? Die Verteidigung der syrischen Souveränität muß für jeden, der Gutes für das syrische Volk wünscht, jetzt oberste Priorität haben. Übrigens ist dies ja durchaus die Einschätzung eines Teils der Opposition.
Ein anderer Teil der Opposition will eine NATO-Intervention.
Salim Tas: Nein, die kann man nicht als »syrische Opposition« bezeichnen. Es handelt sich um ausländische Söldner oder um ein kleines Häuflein von Syrern, die seit langem im Ausland leben und mehr auf ihren eigenen Vorteil als auf das Wohl ihres Volkes bedacht sind. Echte Syrer sind Patrioten – auch wenn sie die Regierung kritisieren.
Salim Tas: Nein, die kann man nicht als »syrische Opposition« bezeichnen. Es handelt sich um ausländische Söldner oder um ein kleines Häuflein von Syrern, die seit langem im Ausland leben und mehr auf ihren eigenen Vorteil als auf das Wohl ihres Volkes bedacht sind. Echte Syrer sind Patrioten – auch wenn sie die Regierung kritisieren.
Herr Tas, wie erleben Sie als Syrer die Parteinahme beim Gros der Medien in Deutschland?
Salim Tas: Die meisten Redakteure der tonangebenden Medien scheinen bei Goebbels in die Lehre gegangen zu sein. Von Berichterstattung kann keine Rede sein. Recherche gibt es nicht. Das Ziel ist, den Medienkonsumenten den Glauben einzutrichtern, daß der Diktator Assad sein Volk unterdrückt, welches das Ausland um Hilfe anfleht. Dazu ist jedes Mittel recht, keine Quelle zu dubios, auch wenn sie sich schon mehrfach als unglaubwürdig erwiesen hat. Im Fernsehen werden Bilder gezeigt, deren Entstehung niemand kennt. In einigen Fällen konnte nachgewiesen werden, daß sie schon Jahre alt sind oder gar nicht aus Syrien stammen. Manchmal kann einfach beim besten Willen niemand genau sagen, was überhaupt zu sehen ist. Aber die Nachrichtensprecher und Korrespondenten erklären uns, was wir sehen sollen. Daß ich hier in Deutschland für die Verbreitung solcher Lügengeschichten über meine Heimat noch Rundfunkgebühren bezahlen muß, setzt dem Ganzen die Krone auf.
Viele Kriegsgegner hierzulande haben Probleme damit, wenn auf Kundgebungen Assad-Bilder hochgehalten werden…
Sebastian Bahlo: Wir können und wollen gegenüber unseren syrischen Bündnispartnern keine Zensur ausüben, erst recht keine Zensur im Sinne der Kriegstreiber. Wenn wir uns durch Konzessionen an die herrschende Propaganda vom Gegner vereinnahmen und neutralisieren ließen, wäre die ganze Sache sinnlos. Gerade weil wir dies konsequent ablehnen, deutet alles auf eine sehr erfolgreiche Veranstaltung hin.
Salim Tas: Es befremdet mich, wenn mir deutsche Friedensfreunde vorschreiben wollen, wie ich als Syrer zu Assad zu stehen habe. Persönlich bin ich davon überzeugt, daß die Ideale und Werte des Säkularismus und Patriotismus, die Baschar Al-Assad vertritt, die einzige Grundlage für Frieden und Stabilität in unserem multiethnischen und multireligiösen Land sind. Auf der letzten Demonstration in Frankfurt, an der über 1500 hier lebende Syrer und andere aus der Region stammende Menschen teilnahmen, waren viele Assad-Bilder zu sehen. Die nun zustandegekommene Zusammenarbeit mit deutschen Kräften darf nicht dazu führen, daß wir für ein paar hundert Demonstranten mehr unsere Position entschärfen. Das wäre das Gegenteil dessen, was wir uns von der Unterstützung erhoffen. Unser Komitee hat sich auf die Formel »Gegen die Dämonisierung und Delegitimierung der syrischen Regierung!« geeinigt. Ich hoffe, daß viele deutsche Friedensfreunde am Samstag mit uns marschieren.
Salim Tas: Die meisten Redakteure der tonangebenden Medien scheinen bei Goebbels in die Lehre gegangen zu sein. Von Berichterstattung kann keine Rede sein. Recherche gibt es nicht. Das Ziel ist, den Medienkonsumenten den Glauben einzutrichtern, daß der Diktator Assad sein Volk unterdrückt, welches das Ausland um Hilfe anfleht. Dazu ist jedes Mittel recht, keine Quelle zu dubios, auch wenn sie sich schon mehrfach als unglaubwürdig erwiesen hat. Im Fernsehen werden Bilder gezeigt, deren Entstehung niemand kennt. In einigen Fällen konnte nachgewiesen werden, daß sie schon Jahre alt sind oder gar nicht aus Syrien stammen. Manchmal kann einfach beim besten Willen niemand genau sagen, was überhaupt zu sehen ist. Aber die Nachrichtensprecher und Korrespondenten erklären uns, was wir sehen sollen. Daß ich hier in Deutschland für die Verbreitung solcher Lügengeschichten über meine Heimat noch Rundfunkgebühren bezahlen muß, setzt dem Ganzen die Krone auf.
Viele Kriegsgegner hierzulande haben Probleme damit, wenn auf Kundgebungen Assad-Bilder hochgehalten werden…
Sebastian Bahlo: Wir können und wollen gegenüber unseren syrischen Bündnispartnern keine Zensur ausüben, erst recht keine Zensur im Sinne der Kriegstreiber. Wenn wir uns durch Konzessionen an die herrschende Propaganda vom Gegner vereinnahmen und neutralisieren ließen, wäre die ganze Sache sinnlos. Gerade weil wir dies konsequent ablehnen, deutet alles auf eine sehr erfolgreiche Veranstaltung hin.
Salim Tas: Es befremdet mich, wenn mir deutsche Friedensfreunde vorschreiben wollen, wie ich als Syrer zu Assad zu stehen habe. Persönlich bin ich davon überzeugt, daß die Ideale und Werte des Säkularismus und Patriotismus, die Baschar Al-Assad vertritt, die einzige Grundlage für Frieden und Stabilität in unserem multiethnischen und multireligiösen Land sind. Auf der letzten Demonstration in Frankfurt, an der über 1500 hier lebende Syrer und andere aus der Region stammende Menschen teilnahmen, waren viele Assad-Bilder zu sehen. Die nun zustandegekommene Zusammenarbeit mit deutschen Kräften darf nicht dazu führen, daß wir für ein paar hundert Demonstranten mehr unsere Position entschärfen. Das wäre das Gegenteil dessen, was wir uns von der Unterstützung erhoffen. Unser Komitee hat sich auf die Formel »Gegen die Dämonisierung und Delegitimierung der syrischen Regierung!« geeinigt. Ich hoffe, daß viele deutsche Friedensfreunde am Samstag mit uns marschieren.